• Familie Gilbert

Jaron

Die Geburt aus Papas Sicht

Mittwoch, 4. Februar 2009 von Tobias

Kurz bevor ich mir Milch in mein Müsli gießen konnte, hörte ich ein aufgeregtes "Tobias!" aus dem Schlafzimmer. Es war soweit. Krissi hatte einen Blasensprung. Ich rief den Krankentransport. Mit ihm ging es mit gefühltem Schneckentempo zur Klinik. Dort lief alles in gelenkten Bahnen ab. Die Geburt wurde nur durch den Wehentropf etwas angeregt. Ich blieb wärend der gesamten Geburt an Krissis Seite (bzw. Kopfende).

Nachdem die Geburt ohne erkennbare Komplikationen verlaufen war, hörte ich nur eine Ärztin rufen: "Abnabeln und schnell raus mit ihm!". An mir flitzte sie mit einem bläulich gefärbten Neugeborenen auf dem Arm vorbei. Was ist passiert? Warum schreit Jaron nicht? Keiner kann Antwort geben. Alle Ärzte und Hebammen im Kreissaal sind jetzt damit beschäftigt, die Nachgeburt abzuwickeln. Die macht einige Probleme, Krissi verliert zu viel Blut und muss sofort in den OP.

Ich bin allein. Die Ärzte haben sich aufgeteilt. Eine Hälfte versorgt den kleinen Jaron, die anderen versorgen Krissi. Eine Hebamme schlug vor, ich solle im Kreissaal bleiben und warten. Meint sie das tatsächlich ernst? Naja, was bleibt mir übrig. Ich warte...
Nach einer halben Ewigkeit kommt der Chef der Kinderklinik herein. Nie werde ich diesen Augenblick vergessen, als er sich mit einem ernsten Gesicht einen Stuhl nahm und sich mir gegenüber setzte. Ich brach in Tränen aus, ohne dass er etwas gesagt hatte. Er klärte mich auf, dass Jarons Herz bei der Erstuntersuchung nicht geschlagen hat und dass er reanimiert werden musste - 38 Minuten lang. Während der Wiederbelebung wurde seine Sauerstoffsättigung im Blut kontrolliert. Die war weit unter dem kritischen Wert, besserte sich aber während der Reanimation. Die Werte im Nabelschnurblut sahen dagegen gut aus - die Versorgung Jarons im Bauch muss also noch gut gewesen sein. Momentan seien die Ärzte dabei, ihn zu stabilisieren. Auf meine Frage, ob sein Zustand noch immer lebensbedrohlich sei, antwortete er mit einem leisen "Ja".

Es dauerte nicht lange, bis Krissi aus dem OP kam. Ich versuchte ihr die Situation schonend beizubringen. Glücklicherweise wirkte die Narkose beruhigend auf sie. Kurz darauf kam nocheinmal der Kinderarzt herein und sprach nochmal mit uns gemeinsam über Jarons Zustand.
Da Krissi durch den Blutverlust Kreislaufprobleme hatte, ging ich allein zu unserem Sohn und machte ein paar Fotos für Krissi.

 

 

Die Geburt aus Mamas Sicht

Ich erlebte die Geburt Jarons wie in Trance. Alles hatte seine Richtigkeit und trotz der Schmerzen fühlte ich mich wohl. Tobi war ja auch die ganze Zeit da und "feuerte" mich an.

Gegen halb 4 war das erste Füßchen geboren, wie Tobi sich während der Geburt notiert hat. Ich hatte jegliches Zeitgefühl veroren. So konnte ich es auch kaum glauben, als die Ärztin auf meine Frage, ob denn die Füßchen schon zu sehen wären, antwortete, dass schon der gesamte Pops geboren war.
Selbst dass Jaron nach der Geburt nicht geschrien hat, bekam ich nicht wirklich mit.

Da sich die Plazenta nur unvollständig gelöst hatte und ich viel Blut verlor, kam plötzlich Eile auf und die Ärzte schoben mich rennend in den OP zur Ausschabung. Ich fragte mich nur, warum die plötzlich so einen Stress machten. Als ich wieder aufwachte, stand Tobi an meiner Seite. Es kam ein Arzt hinzu, der uns berichtete, dass Jaron lange wiederbelebt werden musste. Ich hörte das zwar, verstand aber nicht, was das bedeutet. Jaron konnte ich noch nicht besuchen, weil mein Kreislauf immer wieder zusammenbrach, sobald ich mich hinsetzte. Deshalb zeigte mir Tobi zwei Fotos von unserem Süßen. Erst spät in der Nacht konnten wir Jaron auf der Intensivstation besuchen.

Bis zu diesem Zeitpunkt war ich immernoch glücklich über die schöne Geburt. Aber auf der Intensivstation begriff ich, dass es Jaron nicht gut ging. Er wurde beatmet und auf 34°C gekühlt, um weitere Schäden durch den Sauerstoffmangel nach der Geburt gering zu halten. Durch Wassereinlagerungen sah er ziemlich proper aus. Aber schließlich war er bei einer Körpergröße von 53cm auch 3550 Gramm schwer. Die Gesichter der Ärzte sowie die ersten vorsichtigen Prognosen für die Zukunft verhießen nichts Gutes.